Die Sehnsucht nach Perfektion

Warum der Golfschläger die eigene Unzulänglichkeit einlocht

von Thomas Ihm

Zu behaupten, ein Golfschläger sei ein Ding des Lebens, ist natürlich ein bisschen tollkühn. Auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick ist der Golfschläger ein fundamentaler Gegenstand des Alltags – nämlich ein unersetzliches Instrument zur Erfahrung der eigenen Beschränktheit.

Die Kunst des Scheiterns

Ein Golfschläger, egal ob lang oder kurz, ist ein seltsames Instrument. Während sich der Körper unnatürlich verdreht, wird der Schläger auf einer weiten Kurve einmal im Kreis geschwungen, wobei mitten in der Bewegung ein Bällchen getroffen werden soll. Legendär ist die Geschichte von Franz Beckenbauer, wie er das zum ersten Mal ausprobierte. Sein Versuch scheiterte kläglich. Das hat ihn so gewurmt, dass er anschließend ein richtig guter Golfer wurde, so wie etwa Bill Clinton, Thomas Müller oder Alice Cooper.

Erik Satie und Golf

Für den Komponisten Erik Satie war Golf ein Sport für reife Herren im Ruhestand, insbesondere englische Oberste. Le Golf heißt der Satz aus Saties Komposition “Sports et divertissements”, der musikalisch beschreibt, wie der aufgeblasene Oberst in sich zusammenfällt, nachdem er seinen schöner Schläger beim Spiel zerbricht. Kein Oberst, aber immerhin ein Engländer, war Edward Elgar, der seinem Golflehrer Richard Baxter Townshend sogar eine nach ihm benannte Komposition widmete. Dass Elgars Schläger, wie der eines Obristen, schließlich zerbrach, war nicht seine Schuld. Ein Erbe schrottete das wertvolle Stück posthum. Die Überreste der schlimmen Tat liegen heute als Elgar-Reliquie im Elgar-Museum bei Worcester.

Philosophie und Golf

Philosophie, insbesondere die Stoa, ist extrem wichtig, wenn man mitten auf dem Golfplatz nach den stets unvermeidlichen Fehlschlägen so sehr in Verzweiflung gerät, dass man seine Schläger zerbrechen oder im nächsten Teich versenken möchte. Deshalb hat die Industrie den fehlerverzeihenden und toleranten Schläger entwickelt. Auch wenn der Golfball nur ungefähr getroffen wird, fliegt er noch halbwegs anständig davon.

Entwicklung der Hölzer - © Benedikt Behl
Entwicklung der Hölzer – © Benedikt Behl

Alle Hoffnung ruht auf dem “Driver”

Der Golfschläger mit dem meisten Prestige ist der “Driver”, denn er sieht fett und furchterregend aus. Die meisten Golfer wissen nicht, wie man ihn richtig benutzt. Deshalb kaufen sie sich jedes Jahr für ein paar hundert Euro einen neuen “Driver”, in der Hoffnung, dass der Neue die weiterhin auftretenden Fehler im Schwung noch besser verzeiht.

Am Ende hilft nur noch der “Putter”

Erst für das letzte Stück bis zum Loch, nimmt man den Putter. Der Putter ist die Kreativzone der Schlägermacher. Manche sehen aus wie Raumschiffe am Stiel, andere wie Bananen oder Bügeleisen am Stiel. Prinzipiell würde auch ein billiger Minigolf-Putter reichen, denn Putten ist reine Kopfsache. Es gibt die Geschichte von Bobby Jones, einem der größten Golfer aller Zeiten. Als es mit dem Putten nicht mehr so lief, drückte ihm ein Freund einen alten Prügel in die Hand, der irgendwo im Schuppen rumlag, und riet ihm, es damit mal zu versuchen. Danach puttete Jones wie ein wiedergeborener Gott. Jones gab dem ollen Putter dann den Namen einer Westernheldin; Calamity Jane. Nachbauten davon kann man bis heute kaufen.

Goldener Putter - © Benedikt Behl
Goldener Putter – © Benedikt Behl

Die Sehnsucht nach Perfektion

Für manche Sportarten braucht man vor allem einen trainierten Körper, andere fordern mehr den Geist, und wieder andere brauchen beides: Körpereinsatz und spielerische Intelligenz. Fußball zum Beispiel. Golf ist mehr ein Spiel denn ein Sport. Fehlende Kraft und Athletik kann durch mentale Stärke ausgeglichen werden. Aber man darf keine Fehler machen, denn jeder Fehler wird gezählt. Und deshalb ist der Golfschläger, genauer, der fehlerverzeihende Golfschläger mehr als nur ein Golfschläger. Er ist das Verbindungsstück zwischen den eigenen Unzulänglichkeiten und der Sehnsucht nach Perfektion.

Über den Autor

Thomas Ihm ist Redakteur beim SWR und begeisterter Golfer und Podcast-Macher.

achgolf ist ein Podcast, der vom „Spirit of the Game“ erzählt, von Geschichte und Geschichten auch jenseits von Wettkampf und Handicap. Die Episoden gibt es u.a. bei Spotify, I-Tunes und podcast.de, sowie auf der Homepage ach.golf

Der Podcast ist ein Begleiter für alle, die etwa auf der Fahrt zum oder vom Spiel im Spiel bleiben wollen – und für die Golf mehr ist als nur ein Sport. Schon jetzt gibt es viele Stunden Audios von verschiedenen Autoren zu unterschiedlichsten Themen.

Mail an den Autor: achgolfpodcast@gmail.com

Portrait Thomas Ihm
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