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1962 U.S. Open: „Jack’s First Major“
von Mark Horyna
Die Corona Pandemie betrifft nicht nur privates Golf. Auch das professionelle Spiel pausiert. Die Masters finden vielleicht im Herbst statt, die eigentlich für Juli terminierte Open Championship ist abgesagt. Viele weitere Veranstaltungen sind gecancelt worden und noch ist völlig ungewiss, ob Tour Events in der gewohnten Form in dieser Saison überhaupt abgehalten werden können.
Wahrlich interessante Zeiten, in denen wir leben.
Wir nehmen diese merkwürdigen Umstände zum Anlass, in einer neuen Reihe auf einige Perlen der Golfgeschichte aufmerksam zu machen.
Alle Fundstücke sind ohne Abo, Passwort oder Kreditkarte im Netz freiverfügbar. Natürlich, der Thrill des „Wer wird gewinnen?“ ist bei Aufzeichnungen nicht gegeben, doch wer Spaß an Golfgeschichte hat, legendäre Ereignisse schätzt, klassische Schwünge und hervorragende Kommentatoren, der kommt hier durchaus auf seine Kosten.
Und unsere sachdienlichen Hinweise gibt es ebenfalls gratis.
Was passiert?
Eine ganze Menge. Der Film ist eine bunte, aufwendig gestaltete Feier eines der großen Ereignisse des modernen Golfs. Das ist keine Übertreibung. Im Jahre 1962 war Arnold Palmer die Lichtgestalt des Spiels. Keiner glaubte, der „The King“ könne von einem pummeligen, aus Ohio stammenden Apothekersohn geschlagen werden. Nicklaus jedoch, der zu dem Zeitpunkt noch keinen einzigen Toursieg vorweisen konnte, kam, sah und siegte – und das mit viel Stil. Der von der USGA produzierte einstündige Film lässt zahlreiche Historiker und Zeitgenossen zu Wort kommen, aber auch die beiden großen Männer selbst auf die Ereignisse zurückblicken. Große Emotionen, amerikanisch aufbereitet.
Was passiert noch?
Die USGA hat sehr viel Geld und eine Menge Bildrechte. Das merkt man dem Film an. Es gibt viele alte Originalaufnahmen, die selbst ein Golfgeschichtsjunkie wie ich nicht schon hundertmal gesehen hat. Eine Unmenge montierter Standbilder und einige der besten Golffotos aus der Zeit wurden montiert. Dazu viele O-Töne und eigens produzierte Interviews. Es gibt natürlich auch eine Menge Kitsch. Dramatische Musik und Bilder der gealterten Kontrahenten, die einträchtig die fast paradiesischen Fairways ihres damaligen Schlachtfelds abschreiten. Muss man mögen. Das fällt aber nicht wirklich schwer.
Was gibt’s sonst zu sehen?
Style. Palmer sah einfach großartig aus. Wie ein Leinwandheld. Ein sympathischer Workingclass Hero, der die Massen bewegte und Welten zusammenbringen konnte. 1962 war er auf dem Höhepunkt seines Könnens und seiner Beliebtheit. Seine Fans nannten sich „Arnie’s Army“. Es heißt, er habe den Arbeitern Golf gebracht und die Arbeiter in die Country Clubs gelockt. Er war das Versprechen des amerikanischen Traums. Historisch weniger interessierte werden vielleicht über die Feindseligkeit staunen, die Palmer’s Fans unverhohlen dem nur 22-jährigen Nicklaus damals zeigten. Das Gros der Zuschauer in Oakmont waren keine Golfer. Sie kamen zum Platz, um ihren Helden, der nur wenige Meilen entfernt aufgewachsen war, gewinnen zu sehen. Entsprechend wurde Nicklaus als „Ohio Fats“ verhöhnt, ausgelacht, beschimpft und beim Spielen gestört. In einigen Einstellungen meint man zu erkennen, wie sehr sich Palmer für das Verhalten seiner Anhänger schämt.
Großartige Schwünge gibts auch zu sehen. Palmer pflegte richtig in Ball zu dreschen, sein Durchschwung war einzigartig. Bei Nicklaus, der damals zu den längsten auf der Tour zählte, kann man beobachten, wie man Schwunggewicht wirklich effektiv einsetzt. Drives von über 300 Yards waren für ihn keine Seltenheit. Andere Spieler im Feld kommen leider etwas kurz. Aber vielleicht nicht ganz unberechtigt. Das Ganze war eine Zweimannshow und hatte so viel von Matchplay, dass selbst Palmer am Ende des Playoffs etwas verwirrt vergaß, welches Format gespielt wurde. Nach einer verpatzten letzten Chance, das Spiel doch noch zu seinen Gunsten zu entscheiden, bückte sich der King und hob Nicklaus‘ Marke auf. Ein großer Moment der Sportgeschichte.
Wie sieht’s aus?
Hervorragend. Die Interviews sind Hochglanz, das alte Footage fantastisch restauriert und die Dramaturgie funktioniert. Man muss allerdings mögen, wie die Amerikaner Geschichte begreifen und erzählen. Das hier ist eine Heldensage. Keine Ironie, kein wirklicher Humor. Aber super gemacht. Punkt.
Und sonst so?
Zuschauer mit Anzügen und Periskope, um überhaupt was zu sehen. Viele Krawatten. Großartig. Golf als Volksfest. Keine Werbung. Die US-Open war damals zwar schon eine große, aber noch nicht so richtig kommerzialisierte Veranstaltung. Palmer trägt Penguin und seine eigene Marke, Nicklaus wechselt seine Hose kein einziges Mal und erklärt im Interview auch warum: Aberglaube.
Und heute?
Palmer und Nicklaus begründeten 1962 eine Konkurrenz, die Jahrzehnte andauerte. Nicklaus hält heute noch einen der wichtigsten Rekorde des Spiels. Achtzehn Major Siege sind die Marke, die es zu knacken gilt. Ob sein Rekord jemals gebrochen werden kann, ist heftig umstritten. Tiger Woods ist der einzige Kandidat, dem man es derzeit vielleicht zutrauen mag und seine Zeit läuft langsam ab. Auch wenn Palmer mit seinen sieben Majors nicht annähernd an Nicklaus‘ Leistung herankommt, gilt er vielen noch heute als ebenbürtiger Erneuerer unseres Spiels. Wer wissen will, wie alles begann ist hier richtig aufgehoben.
Über den Autor
Mark Horyna, Golfjournalist
Autor und Filmemacher Mark Horyna lebt und arbeitet in der Nähe von Stuttgart. Seine Texte finden Sie regelmäßig im australischen „Caddie-Magazine“, der deutschen „Heritage Post“, dem schweizerischen „GolfPlus“ und dem österreichischen „Perfect Eagle“. Als „The New Gentleman Golfer“ treffen Sie ihn in den sozialen Medien und gelegentlich auch vor der Kamera. Er hat zudem Golfbetriebsmanagement (IST) studiert und ist Vorstand eines Fördervereins, der sich um den Golfnachwuchs kümmert. Sie erreichen Horyna telefonisch unter 01743330702 und per Mail:
mr.horyna@thenewgentlemangolfer.com